Klassische Indische Musik zur Harmonisierung der Doshas

In einer neu begonnenen Reihe Healing Sounds of Ayurveda präsentiert das Label dipavali - Indian Classical Music eine konzentrierte, hörens- und erlebenswerte Aktualisierung Klassischer Indischer Musik für in erster Linie westliche Hörer, die sich an ayurvedischen Heiltherapien orientieren, dazu die Klassische Musik Indiens als Stimulans in einem größeren Zusammenhang indischer Geisteswelt sehen oder sich in meditativen Formenkreisen bewegen. Auf 3 CDs sind drei nordindische Star-Virtuosen der jüngeren Generation (samt ihren nicht minder berühmten Begleitern an Tabla und Pakhavaj nebst dem Borduninstrument Tanpura) mit Kompositionen zu hören, welche auf die tages- wie jahreszeitlich zugeordneten Doshas (also die den menschlichen Organismus konstituierenden feinstofflichen Elemente) abgestimmt sind. Dies geschieht innerhalb der ayurvedischen Kernzeiten menschlicher Tagesaktivität von 6.00 Uhr bis 21.30 Uhr.

CD 1/Kapha-Zeiten: 6-10 Uhr & 18-21.30 Uhr:

Pandit Tejendra N. Majumdar, u. a. Schüler des legendären Ustad Ali Akbar Khan, eröffnet auf der klangedlen Sarod (der nordindischen Langhalslaute ohne Bünde) die Girlande der tageszeitspezifischen Ragas mit dem Frühe-Morgen-Raga Bairagi. Er schafft fühlbar rasch ein Fluidum zunächst strenger, kühlender, dann sich merklich belebender Wirkung durch die dem Stück eigentümlichen Spielfiguren innerhalb der zyklischen Anlage der Komposition. Der Abendraga Basant (eigentlich dem Frühling zugeordnet) wird beim Hörer seine heitere, ausgeglichene, dennoch energetisch-stimulierende Wirkung nicht verfehlen. Sowohl an perkussiver Virtuosität als auch an rhythmischer Sensibilität steht ihm sein Tabla-Begleiter Subhankar Banerjee in keiner Weise nach. Beide repräsentieren höchsten gegenwärtigen Standard innerhalb der bengalischen Musiziertradition.

CD 2/Pitta-Zeit: ca. 10-14.00 Uhr:

Der aus Kolkata gebürtige Kushal Das präsentiert als eine der wohl erstaunlichsten indischen Musikerpersönlichkeiten der letzten Jahre auf Surbahar und Sitar (den nordindischen Langhalslauten mit verschiebbaren Bünden im Bass- und Mitten- bis Diskantbereich) wirklich große Kunst beim Extemporieren von Raga-Charakteristika. Deutlich spürbar ist seine zusätzliche Ausbildung im klassischen indischen Gesang in der langsamen Einleitung (Alap) des Raga Ahiri, in dem er schönste instrumentale Lyrik mit stark meditativen Spielelementen mischt. Die Innenspannung seiner Variationskunst wird jeden Miterlebenden spontan begeistern! Beendet wird die insgesamt 73 Minuten (!) dauernde Komposition im Gat-Teil mit dem Raga Charukeshi, einem den Höhepunkt des Tages durch stimulierende und emotional mitreißende Klangkaskaden intuitiv erlebbar werden lassenden Tonstück. Sein Tabla-Partner Abhijit Banerjee leistet ebenso Bestechendes durch feinnervige, subtil alle Impulse von Kushal Das in die eigene Tala-Metrik umsetzende, dennoch höchste solistische Höhen erreichende Begleitkunst.

CD 3/Vata-Zeit: ca. 14-18 Uhr:

Raga Madhuvanti, der einer Harmonisierung von erhöhtem Vata-Dosha zugedachte Spätnachmittags-Raga, wird vom 1963 in Varanasi (Benares) geborenen Pandit Ronu Majumdar auf der Bansuri (der nordindischen Bambusflöte - in verschiedenen Längen von Diskant- bis Bassflöte bei der Ausführung des Raga verwendet) in erstaunlicher Weise nachvollzogen. Volle 32 Minuten lang entwickelt sich in betörender Melodik, nur auf der indischen Bambusflöte wahrhaft einschmeichelnd nachvollziehbar, die Schönheit der Raga-Komposition im einleitenden Alap. Sinnträger der Flöte ist der Hirtengott Krishna, dessen Liebeswerben um das ihn anbetende Milchmädchen Radha hier fast szenische Gestalt gewinnt. Ronu Majumdar versteht es, in bezwingender Spannung lange Melodiebögen mit allen Finessen indischer Verzierungskunst zu gestalten. Sehnsüchtiges Verlangen und erotisches Werben lassen sich wohl kaum schöner darstellen! Im Mittelteil Jod tritt die zweiseitige Röhrentrommel Pakhavaj, gespielt von seinem Bruder Durga Prasad Majumdar, in archaisierender Klangfärbung hinzu und beschwört die altindische Mythologie der Vedas und die epische Dichtkunst des Mahabharata. Satyajit Talwalkar gestaltet dann auf der Tabla den Hauptteil des Raga - den Gat - mit und überzeugt durch sublimstes perkussives Einfühlungsvermögen in die lyrische Charakteristik der Komposition.

Das Set ist je CD mit einem instruktiven Booklet ausgestattet. Einführende Essays erklären anschaulich sowohl die ayurvedisch-therapeutische Seite der Dosha-Harmonisierung als auch die einzelnen Raga-Kompositionen. Grundlegende Erläuterungen der Instrumente und ihrer Spielweise nebst Biographien der Interpreten runden diese neuartige CD-Edition ab, welche insbesondere dem Einsteiger in Indische Klassische Musik zu empfehlen ist.

Wolf Kalipp - Hochschule für Musik und Theater - Foto

Dr. Wolf Kalipp
Musik- und Kulturwissenschaftler
Dozent für Musikpädagogik an der
Hochschule für Musik und Theater Hannover

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